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Wo andere sich in abstrakten Diskursen um Wohl und Wehe einer Leitkultur zerzausen, weist einer den geraden Weg: Harald Schmidt kehrt ins Fernsehen zur?ck. Der Lotse geht an Bord. Wir k?nnen auch ohne ihn. Aber wir wollen nicht. "Wir sind eine millionenstarke Minderheit im Alter von 30 bis 45 Jahren. Die meisten von uns k?nnen (ein bisschen) denken. Er ist Harald Schmidt.
In unserer Bed?rfniswelt steht dieser Name nicht etwa f?r Spa?gesellschaft, Lachkultur oder auch nur kluge Unterhaltung, sondern zun?chst und vor allem f?r geistige Gesundheit. Schlie?lich war es niemand anderes als Harald Schmidt, der uns ?ber Jahre durch den Zeichenm?ll dieser Gesellschaft lotste und allabendlich unser Bed?rfnis nach Weltdeutung stillte. Begeistert wuchsen wir mit ihm, folgten wir dem Prozess seiner Selbstvervollkommnung. Mit jedem Sendetag aber gewahrten wir klarer: Der Mann, an dessen Lippen wir h?ngen, ist ein Konservativer.
Diese Feststellung ist ebenso ironisch wie unabweisbar. Religi?se Grundpr?gung, beste b?rgerliche Bildung, feiner Patriotismus und ausgepr?gter Familiensinn, von welcher ?ffentlichen Gestalt wurden diese Festen konservativer Weltanschauung ?berzeugender verk?rpert als von Harald Schmidt? Wo andere sich in abstrakten Diskursen um Wohl und Wehe einer Leitkultur zerzausen, werden wir uns auch in Zukunft von ihm, dem paradigmatischen Konservativen unserer Zeit, den Weg weisen lassen. F?r welche Werte Harald Schmidts Programm konkret stand und steht, mag man fragen.
Erste Aufschl?sse gibt die desolate Lage seiner Rivalen, also zun?chst die des politischen Kabaretts. Es hat sich bis heute nicht vom Untergang der DDR erholt. Stellvertretend f?r die Gesamtkrise der Altherrengattung erfuhr Dieter Hildebrandts Marotte des permanenten Verhedderns und Satzabbruches einen unfreiwilligen Funktionswandel. In den Achtzigern noch einleuchtende Form des Systemzweifels, wurde sie im Verlauf zum Sinnbild einer Desorientierung, die vor allem das eigene Rollenverst?ndnis betraf. Harald Schmidt hielt sich von diesem linken Genre stets entfernt und wird gewiss nicht aufh?ren, dessen Relevanzverlust weiter zu beschleunigen.
Wertvolle Distanz gewann unser Held auch zu den Quatschk?pfen der Comedy-Kultur samt spa?politischen Folgeerscheinungen. Zun?chst selbst Trendsetter, verweigerte sich Schmidt schon bald dem direkten Pointenpopulismus und setzte von dort aus zur gewitzten Autoaggression an. Erst wurde das Fernsehen, schlie?lich das eigene Late-Night-Format fertig gemacht. Die Motivation ist klar. Ein konservativer Geist wie er h?lt beide f?r Verfallsursachen. Doch selbst die einfallsreichste Dekonstruktion muss erm?den, weshalb sein letztes gro?es Showjahr in Wahrheit nichts als Trauerarbeit war. Schmidt lie? unendlich selbstbezogen ausstrahlen, was die gesamte Republik zeitgleich f?r sich erkennen sollte: So geht es einfach nicht weiter. Und w?hrend Deutschland 2004 von einer so genannten Innovation zur anderen hastete, ging Schmidt mit sich in Urlaubsklausur.
Jetzt will er es wieder wissen. Befreit vom t?glichen Geschiele nach werberelevanten Junggruppen gibt er in der ARD sein Fernsehcomeback. In dem neuen, souver?n entschlackten Sendeformat "Harald Schmidt" wird er als Konservativer wohl endg?ltig zu sich finden. W?re es so, wohin f?hrte er uns und damit dieses Land?
Zun?chst gilt es, diesen Leitstern des neuen deutschen Konservatismus als parteipolitisch offenes Ph?nomen zu erkennen. Rein programmatisch ist f?r ihn heute in jeder Fraktion Platz. Denn sein Patriotismus ist zwar unbedingt, jedoch nicht territorial fixiert. Seine erste Vaterlandssorge gilt der deutschen Sprache und damit der Grundlage eines jeden anst?ndigen Selbstverst?ndnisses. Christlicher Erziehung wird bei "Harald Schmidt" absolut zentrale Bedeutung zugemessen, und sei es nur mit dem Entwicklungsziel, den eindeutigen Glauben sp?ter wie eine Leiter von sich sto?en zu k?nnen. Als freiheitsliebender Konservativer setzt "Harald Schmidt" ferner auf die wertewahrende Kraft der Ironie" und wei? sich damit in einer moralischen Tradition von Sokrates bis Thomas Mann.
Die eigentlich zivile Bedrohung erkennt sein Programm nicht nur im fundamental Anderen, sondern in der ureignen Idiotie der Gemeinpl?tze, Parolen und Patentrezepte. Bildungspolitisch f?hrt die Fehlerdiagnose nicht auf eine unzureichende ?ffnung f?r alternative Weltversionen – ein Druck auf die Fernbedienung gen?gt! –, sondern die beklemmende Absenz des Eigenen. Zur Festigung der Identit?t wird „Harald Schmidt“ deshalb auch weiterhin auf klassische Autoren sowie nat?rlich die wahrheitssch?pfende Kraft des Humors setzen. Das Einzige schlie?lich, was solch ein Konservativer am entregelten Markt zu sch?tzen wei?, ist das eigene Einkommen.
Kein Zweifel m?glich. „Harald Schmidt“ 2005, dies muss und wird ein Programm mit eminent politischer Strahlkraft sein. Der Meister selbst wird ?ber diese Zumutung nat?rlich nur lachen. Soll er ruhig. Hauptsache, er ist wieder da, lotst uns auch in Zukunft durch die Ozeane der Redevielfalt und vermittelt dabei die gute Hoffnung, da sei so etwas wie Land in Sicht. Unser Land.
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